25 Jahre Mauerfall – THW-Helfer aus Neukölln erinnern sich

Der 9. November 1989, irgend so ein Jahrestag? Es war ein Donnerstag, unser regulärer Ausbildungsabend beim Technischen Hilfswerk in Neukölln. Das bestätigt mir sofort THW-Helfer Wolfgang Daube: „'Die Mauer ist offen‘, kam abends als Nachricht aus dem Radio, als ich in der Werkstatt eine Motorsäge reparierte.“ „Aha“ war unser Kommentar am Stammtisch des Ortsverbandes und wir redeten weiter. Als ich nach Hause fuhr, sah sich meine Mutter mit Tränen in den Augen die Nachrichten im Fernsehen an: „Die Mauer ist offen!“ „Aha“, sagte ich und ging ins Bett.
Mauer und Wachturm - heute gehören sie zur Gedenkstätte Berliner Mauer an der Bernauer Straße. Quelle: Joachim Schwemmer

Mauer und Wachturm - heute gehören sie zur Gedenkstätte Berliner Mauer an der Bernauer Straße. Quelle: Joachim Schwemmer

Freitag hatte ich Mühe, mit dem Auto auf den verstopften Straßen nahe der Mauer in Kreuzberg zum Büro zu fahren. Ich arbeitete damals in einer Abteilung, die Kfz-Teile in die DDR verkaufte. Zusammen mit Mitarbeitern und Chef hörten wir uns jeden Bericht im Radio an - wir waren wie elektrisiert. Der Weg nach Hause war mit noch mehr Fahrzeit und Umwegen verbunden. Ich bekam auch kaum einen Parkplatz vor der Tür. Dafür saßen unsere Verwandten und Bekannten aus dem Ost-Teil Berlins und dem Umland in unserem Wohnzimmer. In der Nacht gingen wir gemeinsam auf dem Ku-Damm spazieren – ein Muss für jeden DDR-Bürger. Sie trafen dort sogar ihre Nachbarn. Ich freute mich. Und das Gefühl meiner Verwandten, endlich im Westen zu sein? Sicherlich unbeschreiblich!

Am Samstag ging ein Hilferuf beim THW ein. Das Auffanglager Marienfelde für Aussiedler platze aus allen Nähten. Ausreisewillige DDR-Bürger mussten sich dort registrieren lassen. Aufgrund des Ansturms wurde eine Außenstelle in der Großbeerenstraße eingerichtet. THW-Helfer Brookert Burri aus Neukölln erinnert sich: „Wir bauten Verteilerkästen auf und zogen Stromkabel, damit die Mitarbeiter an ihren Schreibautomaten die Anträge bearbeiten und ausdrucken konnten. Auch unser Megaphon wurde für Ansagen benötigt.“

Schon Wochen vorher hatte ich mich für den Sonntag und die vier darauf folgenden Tage zum einem Englisch-Kurs in Lüchow-Dannenberg angemeldet. Die Autofahrt dorthin war wieder ein Abenteuer. Die Ausreise aus Westberlin in die DDR, sonst ein mitunter mehrstündiger Akt des Wartens, war diesmal ein kurzes Vergnügen. Doch alle Straßen und Kreuzungen an der Grenze zu Niedersachsen waren hoffnungslos verstopft. Karawanen von Menschen und Autos zogen in den “Westen“. Obwohl es Sonntag war, hatten viele Geschäfte geöffnet. Damals war das noch unüblich.

Am Dienstag mussten meine THW-Kameraden aus dem damaligen „Bezirksverband Kreuzberg-Neukölln“ wieder kräftig anpacken. Die Massantebrücke über den Teltowkanal am Ende der Stubenrauchstraße sollte instandgesetzt werden. Der Teltowkanal war an dieser Stelle damals Grenzgewässer, dahinter stand die Mauer und trennte die Bezirke Neukölln im Westen und Treptow im Osten. Die alte Brücke bestand nur noch aus einem Stahlgerippe ohne Fahrbahnbelag. Auf der Ostseite sollte am nächsten Tag ein Mauerdurchbruch (einer der besonderen Art) gemacht werden, um einen zusätzlichen Grenzübergang einzurichten. Eine Baufirma war mit der Instandsetzung der Brücke beauftragt, schaffte es aber in der kurzen Zeit personell nicht. Sie lieferten nur das Bauholz. Ein kompletter Bergungszug mit 30 Neuköllner THWlern wurden noch am Abend mobilisiert, um zu helfen. Herbert Kolar war damals Einsatzleiter. „Wir sägten Kanthölzer und Bohlen zu und hämmerten diese mit 30 cm langen Nägeln zusammen, um den Gehweg und die Fahrbahn wieder nutzbar zu machen. Bei einer 40 m langen Brücke war das Schwerstarbeit.“ Aber es gelang, am anderen Morgen konnten die DDR-Bürger die neue Brücke in den Westen benutzen.

Im Mai 1990 halfen die Neuköllner THW-Helfer außerdem, einen letzten Rest Mauer an der Grenze zu Kleinglienicke südlich von Zehlendorf zu beseitigen. Zusammen mit DDR-Grenzsoldaten wurden die Mauerteile abgebaut, auf THW-Kipper verladen und zu einem Sammelplatz gebracht.

Auch die THW-Leitung und der Landesverband Berlin reagierten auf die neuen Verhältnisse. Erste Gespräche über eine Zusammenarbeit mit dem Zivilschutz der DDR wurden bereits Anfang 1990 geführt. Nach der Wiedervereinigung wurden auch in den fünf neuen Bundesländern THW-Ortsverbände gegründet. Der Ortsverband Neukölln wurde Partner des Ortsverbandes in Frankfurt/Oder und begleitete den Aufbau und die Ausbildung der neuen Helfer.

Der 9. November 1989, irgend so ein Jahrestag? Für mich nicht. Mit meinen Verwandten aus Köpenick habe ich einen ganz lieben Teil meiner Familie dazugewonnen, die ich nun regelmäßig besuchen kann. Außerdem arbeite ich seit 20 Jahren an unterschiedlichen Arbeitsstellen im Osten der Stadt und habe dort viele nette Kollegen getroffen. Auch das THW kann ich mir nicht mehr anders vorstellen: mal schnell zu einem Treffen der Öffentlichkeitsbeauftragten nach Pankow gefahren oder zu einer Besprechung des Einsatznachsorgeteams nach Merseburg in Sachsen-Anhalt. Ost oder West ist unwichtig geworden, nur die Geschichten sind noch interessant. Für mich gehören die Ereignisse rund um den 9. November 1989 zu den emotionalsten Momenten in meinem Leben, die auch nach 25 Jahren noch Gänsehaut und Tränen in den Augen erzeugen.


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